Historischer Schillerverein
Schiller blieb auch nach seinem Tod in Leipzig einer der meistgespielten Dramatiker. So wurde zum Beispiel sein Don Carlos zwischen 1817 und 1891 121x aufgeführt. Seine Dramen dominieren im 19. Jahrhundert die Spielpläne am Leipziger Theater: Schauspiele wie „Wilhelm Tell“, „Die Jungfrau von Orleans“ sowie die Fragmente wie „Deutsche Größe“ oder „Demetrius“ wurden, als Widerstand gegen die napoleonische Herrschaft, zu Symbolen des Freiheitswillens und der nationalen Einheit. Es entstand ein regelrechter Schillerkult, der schon 1825 in Stuttgart zur Gründung eines „Liederkranzes“ führte, welcher jährlich am 9. Mai eine Feier zu Schillers Todestag ausrichtete.
In Leipzig gab es am 9.5.1839 im Schützenhaus eine Gedenkfeier für Schiller auf der der Redakteur der „Zeitschrift für die elegante Welt“ Dr. Gustav Kühne (1806-1888) eine Schillerrede hielt, die nicht ohne Wirkung blieb: Leipziger Bürger, insbesondere Schriftsteller, Gelehrte und Künstler, die sich für die demokratischen Ziele des Vormärz wie Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit einsetzen, feierten Schiller als Streiter für deutsche Einheit und Freiheit. Der Volksschriftsteller und spätere Redakteur des „Dorfbarbier“ Dr. Ferdinand Stolle (1806-1872) sprach sich für die Abhaltung einer jährlichen Schillerfeier aus, dem eine erste Versammlung am 26.September im Schützenhaus folgte. Ein Komitee zur Vorbereitung der Schillerfeier am 10.November 1840 wurde gewählt, dem außer Robert Blum auch Steuerdirektor Götz, Regisseur Philipp Düringer (1809- 1870), Stadtrat Moritz Seeburg (1794- 1851), Buchhändler Robert Friese (1805- 1848), Universitätsprofessor Erdmann und der Messerschmied Carl Loewe angehörten. Um nicht einseitig literarisch zu agieren, waren auch je ein Angehöriger des Stadtrates, der Universität und des Handwerkerstandes vertreten.
Zur Schillerfeier hielt Robert Blum die Festrede. Er würdigte Schillers „historisch prophetische Bedeutung“, seinen Kampf für „Wahrheit, Völkerwohl und Freiheit“ und unterstrich die „hehre Pflicht“, festzustellen, wo Schiller im Sommer 1785 in Gohlis wirklich gewohnt hatte. Zur Identifikation des Hauses, welches irrtümlich schon an anderer Stelle der Dorfstraße entdeckt worden sein sollte, wurde neben Nachforschungen auch eine Gerichtsverhandlung durchgeführt. Landgerichtsdirektor Dr. Stockmann befragte unter Eid die letzten noch lebenden Gohliser, die Schiller noch leibhaftig gesehen hatten. So gab der einundsiebzigjährige Zeuge Johann Christoph Schneider zu Protokoll: „Als zwölfjähriger Knabe habe ich in den achtziger Jahren den deutschen Dichter Schiller hier bedient. Er wohnte damals in meinem Vater zugehörigen Gute, von welchem die Felder jetzt Herr Dennhardt, das Haus Dittrich allhier besitzt. Schiller stand damals sehr früh zeitig auf, schon um 3 oder 4 Uhr, und pflegte dann in das Freie, weit hinaus in die Felder zu gehen: Dabei mußte ich ihm mit der Wasserflasche und dem Glase folgen. Um 5 oder 6 Uhr kehrte Schiller gewöhnlich nach Hause und theilte oft seine Ideen dem Buchhändler Göschen, der in demselben Hause wohnte, mit, worüber sich dann zuweilen Beide stritten. Bei diesen Morgenspaziergängen schrieb Schiller Nichts nieder, sondern überlies sich nur seinen Gedanken. Das Niederschreiben erfolgte erst bei der Rückkehr in seine Wohnung. Bei diesen frühen Spaziergängen war Schiller leicht angezogen, mit dem Schlafrocke begleitet, mit unbedecktem Hals. Sein Weg führte ihn gewöhnlich in die Felder, nach der Halleschen Straße zu, in denen er kreuz und quer umherirrte. Den Tag über besuchte er das Rosenthal sehr fleißig. Schiller war stets freundlich und human, er sah blaß von Gesicht, hatte viele Sommersprossen, röthliches Haar und war sehr lang. Mit Göschen war er sehr genau befreundet.“
Am 11.November 1841 fand die erste Feier vor dem „richtigen“ Schillerhaus statt, bei der die am eigens dafür errichteten Portal angebrachte Gedenktafel enthüllt wurde. Auf dieser, von der Eisengießerei Lauchhammer ausgeführten Tafel, ist auch heute noch der vergoldete Schriftzug: „Hier wohnte SCHILLER und schrieb das Lied an die Freude im Jahre 1785.“ Zu lesen. Am oberen Rand wird das Schild mit einer Lyra geschmückt und am unteren Rand sind je eine lachende und eine leidende Maske als Attribute der Komödie und Tragödie dargestellt. Im Rahmen der Festveranstaltung im Hotel de Pologne wurde den Schillerverehrern auch die erste Ausstellung von Erinnerungsstücken an Schiller gezeigt. Wie der Programmzettel anzeigte, wurden „Zwischen der Festfeier und der Abendtafel… die, theils durch die Güte des ältesten Sohnes des Gefeierten, des Königl. Würtemb. Oberförsters, Herrn C.F. von Schiller in Lorch, theils durch andere Verehrer des grossen Dichters uns überlassene Reliquien und Geschenke ausgestellt…“
Vom dritten Schillerfest im Jahre 1842 an wurden jährlich Gohliser Schüler mit Buchprämien ausgezeichnet. Der Leipziger Schillerverein wurde am 24.Oktober 1842 gegründet. Sein erster Vorsitzender war bis 1847 Robert Blum, der anschließend aktiv an den revolutionären Ereignissen beteiligt war und als Abgeordneter für Sachsen in der Frankfurter Nationalversammlung wirkte. Am 9.November 1848 wurde er in der Brigittenau bei Wien standrechtlich erschossen. Seinem Nachfolger, dem Historiker Dr. Heinrich Wuttke (1818-1876) ist es zu verdanken, dass sich der Schillerverein in der schweren Zeit nach der Revolution 1848 nicht auflöste. Im Jahre 1848 hatte der Verein die Dachkammer des Hauses, wo Schiller gewohnt hatte, für jährlich 20 Taler gemietet und eine Gedenkausstellung eingerichtet. Als das Haus zunehmend verfiel und 1856 der Abbruch drohte, konnte der Verein mit Hilfe von Spenden, Hypotheken und Aktien das Haus erwerben, das bereits 1864 schuldenfrei war. Die erste große Instandsetzung des Hauses erfolgte bereits 1857/58. Die Ehrenpforte wurde abgerissen und die daran befestigte Tafel am Haus angebracht.
Im Zusammenhang mit der Neugestaltung im Jahre 1911, durch den damaligen Vorsitzenden des Schillervereines, dem Literaturwissenschaftler Georg Witkowski (1863- 1939), wurde die heute noch den Eingangsbereich dominierende Ehrenpforte errichtet. Der Schillerverein wurde 1949 auf Verordnung der Landesregierung Sachsen aufgelöst. Die Stadt Leipzig, ab 1961 das Stadtgeschichtliche Museum, übernahm die Betreuung des Schillerhauses. Einschneidende Eingriffe in die Bausubstanz in den Jahren 1967/68 und 1988 hatten dem Bauwerk zugesetzt und 1995 drohte gar der Einsturz. Großzügige Spenden verschiedener Institutionen, Unternehmen, Vereine und Privatpersonen ermöglichten umfangreiche denkmalspflegerische Untersuchungen und Restaurierungsarbeiten, welche bis zum 14.9.1998 abgeschlossen wurden. So ist das Schillerhaus heute nicht nur als Originalschauplatz von Schillers Aufenthalt, sondern auch als ein einzigartiges Kulturdenkmal der Region erhalten geblieben.